Hansgeorg Vetter

Der letzte seiner Art

Herrsching – Gibt es Engel bei der Deutschen Bahn? Ja. Es gibt Fahrgäste, die das behaupten und für den Fahrkartenkauf extra nach Herrsching fahren. Es handelt sich dabei um Hansgeorg Vetter, der als einer der letzten seines Standes im Bahnhof Herrsching einen Fahrkartenschalter betreibt.

Nein, ein Aushängeschild für die Ammersee-Metropole Herrsching ist das verwahrloste Bahnhofsgebäude nicht. Den Besucher erwartet nicht nur massenhafter Kot der heimischen Schwalben, sondern auch Müll und sonstiger Unrat. Dennoch schreckt es keinesfalls die Kunden, die zu Hansgeorg Vetter wollen, um sich dort ausgiebig über günstige Tarife der Bahn zu informieren. „Ich habe mich inzwischen an den Dreck gewöhnt“, bleibt der 43-Jährige gebürtige Sachse gelassen. Nach Bayern habe ihn sein Job bei der Deutschen Bahn, wo er bereits als Azubi angefangen hatte, verschlagen. Durch ein zweijähriges Studium qualifizierte er sich außerdem als staatlich geprüfter Techniker für den Eisenbahnbetrieb. Vor 17 Jahren machte er sich selbständig und übernahm den Fahrkartenschalter im Bahnhof Herrsching. Auf der Strecke zwischen München und Herrsching ist Hansgeorg Vetter der letzte Vertreter seiner Art. „Am 28.11? Abfahrt 8.20 Uhr. Mit Tisch, oder ohne Tisch? Von Herrsching direkt nach Köln macht 29.90 Euro. Ab Dienstag können Sie buchen“, erklärt Vetter einem Gast am Schalter. Ein Interview in Ruhe zu führen, ist nicht möglich. Die Kunden kommen im Fünfminuten-Takt. Auch Vera Pein aus Schlagenhofen lässt sich regelmäßig beraten. „Ich fahre ja viel Bahn und oft mit Kindern im Gepäck. Als Laie würde ich nie den günstigsten Tarif finden. Herr Vetter ist mein persönlicher Engel, weil er immer eine Möglichkeit findet, wie wir günstig reisen können. Weil ich sparsam wirtschaften muss, ist eine gute Beratung für uns sehr wichtig.“ Der Verkauf von Fahrkarten teilt sich zu einem Drittel für den MVV und zu zwei Dritteln für die Bahn, vorwiegend innerhalb Europas. Vetter mag seine Kunden, für die er im Bedarfsfalle auch mal die Koffer aufbewahrt oder ihnen gute Tipps für lohnenswerte Ausflüge gibt. Und ist einmal nichts los, setzt sich der Familienvater und Papa von drei Kindern zwischen zehn und 15 Jahren an die Orgel und übt. „Das ist mein Ausgleich“, erzählt der passionierte Organist der evangelischen Kirche Oberpfaffenhofen-Gilching. Außerdem singt er als Tenor im Kirchenchor mit und begleite zudem den Gospelchor in St. Johannes in Gilching. Das nächste Konzert der Gospelsänger findet in St. Johannes am Sonntag, 12. November, um 19 Uhr, statt. Und wo fährt Vetter hin, wenn er mal Zeit zum verreisen hat? „Dann geht es mit Familie nach Rostock an die Ostsee. Dort ist meine Frau zuhause.“ Uli Singer