Zeitreise Bahnhof Seefeld-Hechendorf

Aufnahme kurz nach Fertigstellung anno 1903

Seefeld – Es hat Jahrzehnte gedauert, doch nach und nach werden die historischen Bahnhöfe entlang der S-Bahn-Linie 8 saniert und mit Leben gefüllt. Vorreiter war Steinebach, wo seit gut zwei Jahrzehnten Kultur stattfindet. Aktuell wird der Bahnhof Seefeld-Hechendorf aufwändig saniert.

Wie in Gilching, Weßling, Wörthsee und Herrsching wurde auch der Bahnhof im Seefelder Ortsteil Hechendorf zweistöckig erbaut. Die Wartehalle war mit einer geöffneten Arkade zu den Bahngleisen hin ausgestattet. Angrenzend gab es ein einstöckiges Nebengebäude sowie eine Güterhalle mit Rampe. Das eigentliche Stationsgebäude diente zur Aufnahme der Dienst- und Wohnräume des Bahnhofspersonal und des Warteraums, im einstöckigen Nebengebäude waren öffentliche Toiletten- und Waschräume untergebracht. Mit der Eröffnung der Bahnlinie München-Herrsching im Juli 1903 begann ein neues Zeitalter für die Dörfer entlang der Eisenbahnstrecke. Anfangs verkehrten werktäglich drei Personen- und für den Güterverkehr zwei bestimmte Züge. Um dem boomenden Ausflugsverkehr Rechnung zu tragen, wurden außerdem an wettermäßig schönen Wochenenden zusätzlich zwei weitere Verbindungen angeboten, ist im Buch „Ein Jahrhundert wird mobil!“, erschienen im Buchendorfer Verlag, nachzulesen. Eine einfache Fahrt von München nach Herrsching kostete damals 2,10 (zweite Klasse) beziehungsweise 1,40 Mark (dritte Klasse).

In Robert Bopps Chronik „100 Jahre Bahnstrecke…“, erschienen 2003, erinnert sich ein Hechendorfer an seine Kindheit. „Als mein Vater 1937 an den Bahnhof Seefeld-Hechendorf versetzt wurde, war ich gerade drei Jahre alt“, schreibt Otto Gleixner. „Im Nebengebäude befand sich ein öffentliches WC und eine Waschküche. Hier konnten die Frauen Wäsche waschen. Gelegentlich wurde der große Kessel auch am Samstag angeheizt und dann konnte ich dort in einer großen Badewanne baden. Das war ein Vergnügen, besonders wenn es dazu noch grünes Badesalz gab.“ Weiter berichtete Gleixner unter anderem: „Die drei Eisenbahnerfamilien, meine Eltern, der Bahnhofsvorstand im ersten Stock und der dritte Mann im Anbau neben der Wartehalle, hatten auch Gärten. Die Gemüsegärten waren gegenüber dem Bahnhof auf einem Geländeabsatz, der zu Gunsten der Parkplätze abgegraben worden ist.“ In Punkto Ausflugsverkehr an den Wochenenden erinnerte sich Gleixner an wahre Völkerwanderungen: „In Seefeld-Hechendorf stiegen tagsüber viele Leute aus und gingen, bladen mit Taschen, Rucksäcken und Handtuchrollen zu den Badeplätzen in Seefeld und am Wörthsee. Ein besonderes Schauspiel war es dann für uns Bahnhofsbewohner, wenn ein Gewitter kam, oder wenn es gar schon regnete. Hunderte und mehr Badegäste hatten sich in die Bahnhofshalle geflüchtet und wenn der Zug kam, wollten alle gleichzeitig durch die Sperre. Wer durch war, stürzte in den Zug, der ja schon von Herrsching her voll war. Es war ein tolles Schauspiel vom trockenen Standort im zweiten Stock aus zu beobachten, was sich da unten alles abspielte.“ Uli Singer