Argelried sollte Stadt werden

Argelsried - Blick vom Steinberg

Dobmeier plante Bauland für 10000 Menschen

Gilching – Als Bürgermeister Manfred Walter im Jahr 2008 die Regierungsgeschäfte in Gilching übernahm, sah er sich einer Fülle alter, aber auch neuer Herausforderungen gegenüber. Erschwerend kommt der Nachbarschaftszoff mit der Gemeinde Gauting hinzu. Doch schon in den 70iger Jahren hatte einer seiner Vorgänger ähnliche Probleme.

Um 1972 herum betrug die Einwohnerzahl von Gilching 8600 Personen. Heute sind es rund 19000, und auch der Zuzug hielt schon damals ungebrochen an. Was seinerzeit an den neuen Verkehrsverbindungen – anlässlich der Olympiade wurde die S-Bahn-Strecke München-Herrsching eröffnet – lag. Und schon damals monierten kritische Bürger „architektonische Entgleisungen“ in Punkto Wohnungsbau. Gleichwohl das später heftig als Fehlplanung bezeichnete Ortszentrum (Todeszone) noch gar nicht zur Diskussion stand, gab es schon vorher bissige Kommentare, was die städtebauliche Entwicklung anging. Laut Aufzeichnungen in Peter Iohns Chronik war von „gesichtslosen Betonfassaden in Fertigbauweise“, „unschönen Ockeranstrichen“ und Vergleiche mit so genannten „Zoo-Flakbunkern“ die Rede. Auch diverse Varianten für die geplante Umgehungsstraße waren Thema. Nicht nur im Gemeinderat unter dem damaligen Bürgermeister Heinrich Will. Nein, ungewohnt für damalige Zeiten erörterten auch die Bürger die Frage öffentlich, insbesondere unter dem oft vernachlässigten Aspekt der Umweltbelästigung. Den Clou aber landete 1973 Johann Dobmeier, Bürgermeister der damals selbständigen Gemeinde Argelsried. Schaut man heute auf das Scharmützel zwischen Gilching und Gauting, sieht man sich einem Déjà-vu gegenüber. Dobmeier hatte nämlich beschlossen, hundert Hektar Bauland zwischen Geisenbrunn und Argelsried für mehr als 10000 Menschen auszuweisen. Die Schlagzeilen der Lokalpresse überschlugen sich. Sie lauteten unter anderem: „Argelsried will Stadt werden!“ (SZ), „Argelsried Großgemeinde mit Geisenbrunn“ (MM) und „Argelsrieder Faschingsscherz?“ (LuS). Reagierte Will anfangs noch gelassen, er war sogar der Meinung, so ein Mamut-Projekt sei alleinige Sache der Nachbargemeinde, rührte sich schon bald Widerstand. Will meldete Mitspracherecht an, und „im Übrigen laufe die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Nachbargemeinde den staatlichen Vorstellungen einer Regionalentwicklung entgegen“, monierte er. Abgesehen von der angestrebte Einwohnerzahl, die Will als  wirklichkeitsfremd nannte und „allenfalls in zehn bis 15 Jahren beiden Gemeinden gemeinsam angemessen“ sei. Auf einer Bürgerversammlung in Gilching im Mai 1973 ließ Will das neu erarbeitete Planungskonzept von den Urhebern eingehend erläutern. Erstmals wurde den anwesenden Bürgern, darunter auch etlichen Argelsriedern, bewusst, dass die „kurzsichtige Eigenbrötelei“ einer vernünftigen und für beide Gemeinden fruchtbringenden Entwicklung massiv entgegenstehe. Die Pläne verschwanden für immer in Dobmeiers unergründlichen Schubladen. Uli Singer